Die Blauzungenkrankheit

 

Die Blauzungenkrankheit (Bluetongue Disease – BT) ist eine durch das Blauzungenvirus (Bluetongue virus – BTV) verursachte Infektionserkrankung.

In den Niederlanden wurden seit Anfang September mehrere 1.000 Infektionen bei Schafen, Ziegen, Rindern und Lamas festgestellt. In Nordrhein-Westfalen wurde am 12.10.2023 bundesweit der erste Ausbruch der Blauzungenerkrankung mit dem Serotyp 3 (BTV-3, s.u.) amtlich bestätigt. Am 25.10.2023 folgte Niedersachsen mit der amtlichen Feststellung in einem Schafbestand. Somit verlieren Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und auch die Freie Hansestadt Bremen (aufgrund der räumlichen Nähe) den Status „seuchenfrei in Bezug auf Infektionen mit BTV“. Bundesländer ohne einen amtlich festgestellten Ausbruch von BT behalten den Status. Aktuelle Informationen werden im TierSeuchenInformationsSystem (TSIS) des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) zur Verfügung gestellt. In Belgien traten die ersten Fälle im September 2023 mit BTV-3 auf, diese Länder haben ebenfalls ihren BTV-Freiheitsstatus verloren.

Der Verlust des BTV-Freiheitsstatus führt zur Einschränkung im innerdeutschen sowie innergemeinschaftlichen Verbringen von lebenden Tieren (s.u.).

Die erste BTV-Epidemie in Mitteleuropa trat zwischen 2006 – 2009 auf. Betroffen waren neben Deutschland auch Belgien, Frankreich, Luxemburg und die Niederlande. Erreger der Epidemie war das Blauzungenvirus Serotyp 8 (BTV-8). Den BTV-Freiheitsstatus erlangte ganz Deutschland am 01.06.2023 zurück. Diesen Status haben nun die oben genannten Bundesländer wieder verloren.


Empfängliche Arten

Betroffen sind Wiederkäuer wie z.B. Rinder, Schafe, Ziegen und Wildwiederkäuer sowie Kamele (Camelidae), zu denen auch Alpakas und Lamas zählen. Andere Tiere können sich nicht mit dem Blauzungenvirus infizieren. Auch für den Menschen ist die Erkrankung völlig ungefährlich.


Erreger

Bei dem Erreger der Blauzungenkrankheit handelt es sich um ein Virus, von dem es 24 klassische Serotypen (BTV 1-24) gibt. Die verschiedenen Serotypen besitzen unterschiedliche Proteine auf ihrer Virusoberfläche und weisen daher unterschiedliche antigene Eigenschaften auf. Dies bedeutet, dass das Immunsystem jeden Serotyp separat als eigenen Krankheitserreger erkennt und nicht in der Lage ist, andere Serotypen ebenfalls zu bekämpfen. Besteht eine Immunität gegenüber einem Serotyp (z.B. durch eine Impfung gegen BTV-8) ist das Tier nicht gegen die übrigen Serotypen geschützt. Es liegt keine sogenannte Kreuzimmunität vor.


Übertragung

Das Virus wird nicht direkt von Tier zu Tier übertragen, sondern indirekt durch Gnitzen (Cullicoides spp.). Es handelt sich um 1 – 3 mm große Mücken, die dämmerungs- und nachtaktiv sind. Gnitzen fliegen nur kurze Distanzen, können aber vom Wind über große Strecken transportiert werden. Bei der Blutmahlzeit an einem infizierten Tier nehmen die Gnitzen die Viren mit dem Blut auf. Das Virus vermehrt sich im Insekt und wird bei der nächsten Blutmahlzeit mit dem Speichel in das nächste Tier übertragen.


Krankheitsbild

Der Krankheitsverlauf ist sehr variabel, es können symptomlose (ohne Krankheitserscheinungen) Verläufe auftreten bis hin zu schweren Erkrankungen. Bei Rindern treten meist mildere Symptome auf als bei Schafen. Die Erkrankung kann ausheilen und zu einer belastbaren Immunität führen, d.h. das Tier ist vor einer erneuten Infektion mit dem gleichen Serotyp geschützt.

Symptome Rinder Symptome Schafe
  • erhöhte Körpertemperatur
  • erhöhte Körpertemperatur
  • Milchrückgang
  • Apathie und Absonderung von der Herde
  • Entzündungen der Zitzenhaut 
  • Rötung und Schwellung der Maulschleimhäute
  • Entzündungen Schleimhäute im Bereich der Augenlider, Maulhöhle und Genitalien
  • vermehrter Speichelfluss, Schaumbildung vor dem Maul
  • Ablösungen von Schleimhäuten im Bereich der Zunge und des Mauls 
  • Zunge und Hals können anschwellen, die Zunge kann aus dem Maul hängen
  • Blasen am Kronsaum
  • Entzündung des Kronsaums, Lahmheit, Ausschuhen
  • Aborte
  • Aborte


Therapie, Impfung und Bekämpfung

Es ist lediglich eine symptomatische Therapie möglich. Die Krankheitserscheinungen können behandelt werden (z.B. Fiebersenker, Schmerzmittel, Entzündungshemmer). Eine Bekämpfung des Virus selber ist nicht möglich.

Eine Impfung gegen BTV-8 ist möglich. Eine Impfung gegen BTV-3 ist derzeit nicht möglich, da es keinen zugelassenen Impfstoff gibt. An einer Entwicklung eines Impfstoffs wird gearbeitet, aber es wird noch eine Reihe von Monaten dauern, bis ein zugelassener Impfstoff zur Verfügung steht. Der BTV-8- Impfstoff schützt nicht ausreichend vor BTV-3.

Da die Übertragung des Virus nicht von Tier zu Tier stattfindet, sondern über Gnitzen, ist der Schutz vor diesen entscheidend. Mögliche Bekämpfungsmaßnahmen sind:

  • Reduzierung der Gnitzen durch Vermeidung von Staugewässern (z.B auf Weiden)
  • Insektenbekämpfung im Stall
  • Aufstallung empfänglicher Tiere während der Dämmerung und nachts
  • Reppelentien reduzieren die Stichhäufigkeit der Gnitzen


Behördliche Maßnahmen

Nach dem europäische Tiergesundheitsrecht ist die Blauzungenerkrankung eine Seuche der Kategorie C+D+E. Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um eine Ausbreitung in Gebiete die seuchenfrei sind oder ein Tilgungsprogramm haben, zu verhindern. In Deutschland ist die Blauzungenkrankheit anzeigepflichtig. Der Tierhalter (und andere für die Betreuung der Tiere verantwortliche Personen) muss den Verdacht auf und das Auftreten von BT dem zuständigen Veterinäramt mitteilen.

Zu den Maßnahmen, die die zuständige Behörde ergreift, gehört die Einrichtung von Sperrgebieten, in denen spezielle Verbringungsregelungen gelten. So soll eine Ausbreitung der Erkrankung durch den Transport von infizierten Tieren in seuchenfreie Gebiete oder Gebiete mit einer laufenden Bekämpfung (Tilgungsprogramm) verhindert werden.
 

Verbringungsbeschränkungen

Für die Verbringung von Rindern, Schafen, Ziegen und Kameliden aus Niedersachsen gelten Beschränkungen. Die Verbringungsregelungen für die einzelnen Mitgliedsstaaten müssen der europäischen Kommission von diesen zur Kenntnis gegeben werden. Durch die anschließende Veröffentlichung der Verbringungsregelungen erlangen diese Gültigkeit.

Informationen zu Verbringungsregelungen und Regeln während des Transportes sind unter https://tierseucheninfo.niedersachsen.de/startseite/anzeigepflichtige_tierseuchen/klauentiere/blauzungenkrankheit/blauzungenkrankheit-21712.html zu finden. Links zu Informationsblättern und zu Tierhaltererklärungen sind ebenfalls hier zu finden.

Die von den Mitgliedsstaaten veröffentlichte Verbringungsregelungen sind unter https://food.ec.europa.eu/animals/animal-diseases/surveillance-eradication-programmes-and-disease-free-status/bluetongue_en zu finden.
 

Entschädigungen und Beihilfen

Entschädigungen sind Leistungen, deren Zahlung durch das Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) festgelegt sind. Dagegen sind Beihilfen Zahlungen die durch den Verwaltungsrat der Tierseuchenkasse in der Beihilfesatzung festgelegt werden.

Nach § 15 TierGesG wird auf Antrag eine Entschädigung in Geld geleistet für u.a. Tiere,

  • die auf behördliche Anordnung getötet wurden oder nach Anordnung der Tötung verendet sind,
  • bei denen nach dem Tode eine anzeigepflichtige Tierseuche festgestellt worden ist, aufgrund derer die Tiere auf behördliche Anordnung hätten getötet werden müssen,
  • bei denen es wahrscheinlich ist, dass sie aufgrund einer tierseuchenrechtlich vorgeschriebenen oder behördlich angeordneten Maßnahme oder aufgrund der Durchführung dieser Maßnahme getötet werden mussten oder verendet sind.

Entsprechend § 5 der Verordnung zum Schutz gegen die Blauzungenkrankheit (BlauzungenV) ergreift die zuständige Behörde nach amtlicher Feststellung des Ausbruchs der Blauzungenkrankheit die in § 5 aufgeführten Maßnahmen. Im Rahmen dieser Maßnahmen kann die Behörde die Tötung empfänglichen Tiere des betroffenen Betriebes anordnen, wenn dies erforderlich ist, um eine Ausbreitung der Seuche zu verhindern.

Bisher ist die Tötungsanordnung kein Instrument der Bekämpfung der Blauzungenerkrankung, da es damit nicht möglich ist, die Seuche zum Stoppen zu bringen.  Auf dieser Grundlage können also keine Entschädigungen gezahlt werden. Dies trifft auch auf Falltiere zu, bei denen erst nach dem Tode die Blauzungenerkrankung amtlich festgestellt wurde.

Beihilfen können gezahlt werden, wenn Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung angeordnet werden oder Maßnahme im Rahmen eines nationalen Bekämpfungsprogramms vorgesehen sind. Dies würde bezogen auf Blauzunge v. a. für Impfungen zutreffen. Solche Beihilfezahlungen sind derzeit nicht möglich, da zum einen keine Impfung gegen BTV-3 möglich ist und zum anderen muss über mögliche Beihilfen aufgrund des neuen BTV-3-Geschehens und der damit zusammenhängenden Bekämpfung noch beraten und entschieden werden.