Biosicherheit - Wichtiges Werkzeug vor und im Tierseuchenfall


Mit Biosicherheit Tierseuchenfälle verhindern und eindämmen

Die Biosicherheit beschäftigt sich mit der Analyse bestehender Gefahren, der Erregereinschleppung in Tierhaltungen sowie der Entwicklung von Maßnahmen, um dieses Risiko zu verkleinern oder zu verhindern.

„Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren“ gehören zu den wichtigsten Präventionsinstrumenten, die den Tierhalterinnen und Tierhaltern sowie anderen mit Tieren arbeitenden Personen zur Verhinderung der Einschleppung, Entwicklung und Ausbreitung von Tierseuchen zur Verfügung stehen.

Anzuwendende Rechtsvorschriften auf Ebene der Europäischen Union (EU) sind das Animal Health Law (AHL, Verordnung (EU) 2016/429) sowie diverse Delegierte und Durchführungsverordnungen. Auf nationaler Ebene sind Vorgaben zur Biosicherheit in Nutztierhaltungen im Tiergesundheitsgesetz (TierGesG), in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV), im Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz (TierNebG), in der Schweinehaltungshygieneverordnung (SchHaltHygV), in der Geflügelpestverordnung (GeflPestSchV) und der Nds. Verordnung zum Schutz der Rinder gegen die Paratuberkulose (Nds. ParaTb-VO), geregelt. Eine Übersicht der rechtlichen Bestimmungen zur Bekämpfung der einzelnen Tierseuchen finden Sie unter www.tierseucheninfo.niedersachsen.de.

Gemäß dem neuen EU-Recht müssen Tierhalterinnen und Tierhalter über Kenntnisse zu Tiergesundheit und Tierseuchen verfügen und sich der Verbreitungsgefahren von Tierseuchen bewusst sein. Auch müssen Tierhalterinnen und Tierhalter Maßnahmen zum physischen Schutz vor biologischen Gefahren (u. a. Umzäunung, Einfriedung, Überdachung, Reinigung, Desinfektion) umsetzen und sollten betriebsindividuelle Biosicherheitsmanagementpläne erstellen, in denen Verfahren zur Seuchenprävention beschrieben werden. Diese Maßnahmen sollten in einem Dokument schriftlich festgehalten und regelmäßig aktualisiert werden.

Im Seuchenfall sind die Leistungen der Niedersächsischen Tierseuchenkasse (Nds. TSK) und der EU abhängig von der Einhaltung rechtlicher Vorgaben. Somit wird auch die Biosicherheit zukünftig bei der Leistungsgewährung eine größere Rolle spielen müssen.

In den Aufgabenbereich der Tierärzteschaft fallen insbesondere Beratungen des Tierhalters zum Schutz vor biologischen Gefahren und anderen Tiergesundheitsaspekten, die im Rahmen von Tiergesundheitsbesuchen erfolgen sollen.

 

Biosicherheit Schweine

Mit Blick auf die aktuelle Verbreitung der ASP in Deutschland und Europa und die wirtschaftlichen Konsequenzen für die Schweinehalter hat der Schutz vor biologischen Gefahren noch mehr an Bedeutung gewonnen. Biosicherheitslücken in Schweine haltenden Betrieben gelten als Hauptursache für den Eintrag der ASP in diese Betriebe. Routinekontrollen nach Schweinehaltungshygieneverordnung (SchHaltHygV) und Ergebnisse einer aktuellen Studie* der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover haben gezeigt, dass bei einer hohen Anzahl von Schweinehaltungsbetrieben dringend Nachbesserungen in der Biosicherheit erfolgen müssen.

Auf Initiative der Nds. TSK und des Landvolks Niedersachsen wurde daher am 29.11.2021 eine Arbeitsgruppe (AG) mit maßgeblichen Akteuren gegründet, die dazu beitragen möchte, dass Biosicherheitsmaßnahmen den rechtlichen Vorgaben des neuen EU‑Tiergesundheitsrechts entsprechen und von allen Beteiligten umgesetzt werden.

Das „Niedersächsische Biosicherheitskonzept für Schweine haltende Betriebe nach dem EU-Tiergesundheitsrechtsakt“ (kurz: Nds. Biosicherheitskonzept Schwein) beinhaltet neben einem Leitfaden und drei Checklisten einen Biosicherheitsmanagementplan. Als Ergänzung zum Nds. Biosicherheitskonzept Schwein wird an den entsprechenden Stellen zudem auf zwei Leitfäden zu den Themen „Einfriedung“ und „Kadaverlagerung“ verwiesen.

Auch im Fall des freiwilligen niedersächsischen ASP-Früherkennungsprogramm, welches an EU-Vorgaben (Durchführungsverordnung (EU) 2023/594) sowie die Vorgaben der Schweinehaltungshygieneverordnung (SchHaltHygV) angepasst ist, sind Biosicherheitsmaßnahmen – neben regelmäßigen klinischen Untersuchungen des Bestandes sowie virologischen Untersuchen verendeter Schweine – eine wichtige Voraussetzung für Verbringungserleichterungen im Fall der Einrichtung einer Sperrzone I oder II.

Zur Auslauf- und Freilandhaltung von Schweinen im Zusammenhang mit der ASP wurde am 16.08.2022 auf Bundesebene eine Expertengruppe gegründet, die den Auftrag hatte, eine Leitlinie zu entwickeln. Diese soll anhand eines Maßnahmenkatalogs eine einheitliche Bewertungsgrundlage ermöglichen und somit eine Entscheidungshilfe für Betriebe und Behörden darstellen, um Auslauf- und Freilandhaltung auch in Restriktionszonen aufrecht erhalten zu können, sofern ausreichend Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren eingehalten werden.

*Klein L. et al. (2023): Exploring pig farmers' decision-making concerning biosecurity measures against African Swine Fever. Prev Vet Med.

 

Biosicherheit Geflügel

Zum Schutz vor Geflügelpestausbrüchen wurden Biosicherheitsmaßnahmen, welche die Gefahr der Viruseinschleppung reduzieren, neben den allgemeinen EU-Vorgaben, auch in der Geflügelpestverordnung (GeflPestSchV) festgelegt. Damit verpflichtet der Gesetzgeber die Geflügelhalter dazu z. B. sicherzustellen, dass Futter, Einstreu und sonstige Gegenstände, mit denen Geflügel in Berührung kommen kann, für Wildvögel unzugänglich aufbewahrt werden. Außerdem müssen Fahrzeuge, Maschinen und sonstige Gerätschaften, die in der Geflügelhaltung eingesetzt und von mehreren Betrieben gemeinsam benutzt werden, jeweils im abgebenden Betrieb vor der Abgabe gereinigt und desinfiziert werden.

Darüber hinaus müssen tote Tiere zur Abholung durch die örtlich zuständige Tierkörperbeseitigungsanstalt unverzüglich angemeldet und bis dahin am Standort des jeweiligen Betriebes so gelagert werden, dass Menschen, Tiere oder die Umwelt nicht negativ beeinflusst werden. Jeder Geflügelhalter und jede Geflügelhalterin ist verpflichtet, diese und andere Maßnahmen einzuhalten, um den eigenen und andere Bestände vor dem Ausbruch der Seuche zu schützen.

Um den neuen Anforderungen des AHL gerecht zu werden, wurde auf Initiative der Nds. TSK und des Landvolks Niedersachsen am 27.02.2023 die „AG Biosicherheit in Geflügelhaltungen“ mit maßgeblichen Akteuren gegründet, die dazu beitragen möchte, dass Biosicherheitsmaßnahmen den rechtlichen Vorgaben des neuen EU-Tiergesundheitsrechts entsprechen und von allen Beteiligten umgesetzt werden. Die nationale Gesetzgebung wurde bisher nur in Teilen an das AHL angepasst.

Vor diesem Hintergrund wurde von der „AG Biosicherheit in Geflügelhaltungen“ das „Niedersächsische Biosicherheitskonzept für Geflügel haltende Betriebe nach dem EU-Tiergesundheitsrechtsakt“ entwickelt, welches sich zunächst an Geflügelhaltungen mit über 1.000 Stück Geflügel (in Anlehnung an § 6 GeflPestSchV) richtet. Grundsätzlich müssen jedoch alle Tierhalterinnen und Tierhalter Maßnahmen zum Schutz vor biologischen Gefahren ergreifen. Daher wird auch für Hobbygeflügelhaltungen dringend empfohlen, Maßnahmen zu ergreifen, um den Eintrag von Tierseuchen in die Tierbestände zu verhindern.

 

Biosicherheit Rinder

Von Tierhalterinnen und Tierhaltern wurden und werden erhebliche Aufwendungen betrieben, um Rinder von verschiedenen Krankheiten wie z. B. BHV-1 oder BVD zu sanieren. Ein Neu-Eintrag von Erregern in die Herden könnte daher zu einer schnellen und heftigen Ausbreitung der jeweiligen Infektion führen. Auch die wachsenden Tierzahlen je Bestand sowie die vielfältigen Außenkontakte begünstigen eine rasche Infektionsausbreitung in der Rinderhaltung. Für die Erhaltung eines gesunden und leistungsfähigen Rinderbestandes gilt es daher, den erreichten Gesundheitsstatus zu sichern und Neu- oder Reinfektionen durch die Etablierung von Biosicherheitsmaßnahmen vorzubeugen.

Die Freiheit von Seuchen (z. B. der Maul- und Klauenseuche) trägt wesentlich zu ungehinderten Handelsströmen bei und beeinflusst so direkt die Vermarktbarkeit aller tierischen Produkte. Im Rahmen der Biosicherheit geht es jedoch nicht nur um die Abwehr von besonders gefährlichen Tierseuchen. Gerade die alltäglichen, schadensreichen Infektionskrankheiten der Rinder machen es sehr lohnenswert, sich auf die Thematik einzulassen und zu prüfen, welche Maßnahmen für den eigenen Betrieb wichtig und richtig sind. Infektiöse Rindererkrankungen bedeuten einen hohen ökonomischen Schaden durch unplanmäßige Abgänge, dauerhafte Minderleistung, Behandlungs- und Betreuungskosten. Die Verhinderung von Neuinfektionen dient der Reduktion des Arzneimittelverbrauches (z. B. Antibiotika) und dem Tierschutz gleichermaßen. Damit tragen Biosicherheitsmaßnahmen dazu bei, Forderungen der Gesellschaft an die Produktion von Lebensmitteln tierischer Herkunft zu erfüllen.

Auch seitens der EU-Rechtsetzung wird dem Schutz von Tierhaltungen vor der Einschleppung von Tierkrankheiten mittlerweile eine größere Rolle beigemessen. Im Gegensatz zur Schweinehaltung existiert gegenwärtig keine eigenständige nationale Rechtsvorschrift zur Biosicherheit in der Rinderhaltung. Erste Ansätze von nationalen Regelungsversuchen scheiterten bislang an der Akzeptanz bei den beteiligten Fachkreisen aufgrund einer als mangelhaft eingestuften Praktikabilität. Es erschie daher zielführend, die Verantwortlichen für Biosicherheit in Rinderhaltungen (z.B. Rinderhalter, Tierärzte, Tierzuchttechniker, Klauenpfleger, Viehhändler, Bau-Fachleute) selbst die Risiken analysieren und Gegenmaßnahmen ausarbeiten zu lassen.

Um den verantwortlichen Berufsgruppen bei der Umsetzung betriebsspezifischer Biosicherheitspläne zu unterstützen, wurde auf Initiative der Nds. Tierärztekammer eine interdisziplinäre AG gegründet und im Jahr 2013 der „Leitfaden Biosicherheit in Rinderhaltungen“ veröffentlicht (Zweite Auflage 2016 derzeit in Überarbeitung). Diese Empfehlungen sollte den betroffenen Berufsgruppen als Orientierung zur Umsetzung betriebsspezifischer Biosicherheitspläne dienen.

Auf dem Leitfaden aufbauend, führte Niedersachsen in 2017 mit Hilfe der Nds. ParaTb-VO die Verpflichtung für Tierhalterinnen und Tierhalter, in deren Herde mindestens ein Mycobacterium avium spp. paratuberculosis (MAP) -positives Einzeltierergebnis gefunden wurde, eine Biosicherheitsberatung mit dem Hoftierarzt durchzuführen und einen MAP-Verminderungsplan zu erstellen, ein. Die Nds. TSK gewährt dafür Beratungsbeihilfen.

 

Beratung zur Biosicherheit

Um die Biosicherheitskonzepte für die unterschiedlichen Tierarten und dessen langfristige Umsetzung in den Betrieben zu verankern, sollen zukünftig im Rahmen der Tiergesundheitsbesuche regelmäßig Biosicherheitsberatungen durchgeführt werden. Die Einbeziehung von geschulten Fachberaterinnen und Fachberatern kann die Erarbeitung und Umsetzung von betriebsindividuellen Lösungen zielführend ergänzen. Derzeit können bereits Beihilfen für Biosicherheitsberatungen für Schweine haltende Betriebe beantragt werden. Die Fortbildungsveranstaltungen für Tierärztinnen und Tierärzte bzw. Fachberaterinnen und Fachberater mit Schwerpunkt Geflügelwerden im dritten Quartal 2024 durchgeführt werden. 

Aktuell überarbeitet die AG Biosicherheit in Rinderhaltungen den Nds. Leitfaden für Biosicherheit in Rinderhaltungen und erarbeitet parallel dazu ein Biosicherheitskonzept nach den Vorgaben des AHL, ähnlich dem für Schweine und Geflügel. Fortbildungsveranstaltungen für Tierärztinnen und Tierärzte mit Schwerpunkt Rinder werden im Laufe des Jahres 2025 stattfinden. Für Beratung und Erstellung des Biosicherheitskonzeptes durch qualifizierte Tierärztinnen und Tierärzte bzw. Fachberaterinnen und Fachberater werden dann ebenfalls Beihilfengewährt, sofern die Teilnahme an einer eintägigen Fortbildungsveranstaltung zum Nds. Biosicherheitskonzept nachgewiesen werden kann.